Rund 6000 Personen entscheiden sich jedes Jahr, Zivildienst statt Militärdienst zu leisten - Personen, welche den zivilen Einsatz einer militärischen Aus- und Weiterbildung aus Gewissensgründen vorziehen. Mit der Abschaffung der Gewissensprüfung ist das Interesse am Zivildienst seit 2009 gewachsen. Die vorliegende Gesetzesrevision hat zum Ziel, dieses Wachstum rückgängig zu machen. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die Verschärfungen im Einzelnen aufzuzählen; sie wurden bereits von der Kommissionssprecherin und vom Kommissionssprecher erläutert.
5000 Institutionen sind Einsatzbetriebe der Zivildienstleistenden. Dazu zählen Bund, Kantone, Gemeinden. Für rund 6000 Zivildienstleistende stehen über 15 000 Stellen offen. Die Nachfrage ist gross. Zivildienstleistende arbeiten in Altersheimen, Kindergärten, mit Drogenabhängigen, in der Landwirtschaft, mit Asylsuchenden, in Naturschutzgebieten, mit Strafgefangenen. Sie sind geschätzte Arbeitskräfte im sozialen Bereich wie auch im Naturschutz. Ohne Zivildienstleistende könnte eine grosse Zahl von Einsatzbetrieben nicht existieren und die öffentliche Hand vielerorts ihre gesetzlichen Aufträge nicht erfüllen. Zivildienstleistende kommen dort zum Einsatz, wo Ressourcen fehlen.
Kommen die Verschärfungen zur Anwendung, muss das Parlament sich bewusst sein, dass es ein gut funktionierendes System schwächt, ohne Alternativen aufzuzeigen. 2018 wurden alleine im Gesundheits- und Sozialbereich 1,2 Millionen Arbeitstage geleistet. Mit der demografischen Entwicklung werden wir auch in Zukunft auf diese Arbeitskräfte angewiesen sein. Die Frage ist also, zu welchem Preis wir auf diesen Beitrag für die Gemeinschaft verzichten wollen. Die sogenannte allgemeine Wehrpflicht entspricht nicht mehr der Realität. 32 Prozent der Männer werden als untauglich ausgeschieden. Demgegenüber entscheiden sich nur 12 Prozent für den Zivildienst. Ob es zielführend ist, denjenigen, die noch eine Bereitschaft mitbringen, einen Milizdienst zu leisten, den Weg zu erschweren, ist fraglich. Wer den Zivildienst unattraktiver macht, muss damit rechnen, den "blauen Weg" attraktiver zu machen. Es besteht ein direkter Zusammenhang.
Bereits heute werden Zivildienstleistende diskriminiert, dies vor allem aufgrund der längeren Dienstpflicht. Neu sollen, um Personen davon abzuhalten, vom Militärdienst in den Zivildienst zu wechseln, 150 Zivildiensttage Pflicht sein, unabhängig von den verbleibenden Diensttagen im Militär. Hinzukommen soll eine Wartefrist von zwölf Monaten, in der die militärischen Pflichten erfüllt werden müssen, Gewissenskonflikt hin oder her.
Besonders diese zwei Verschärfungen sind drastisch und im Sinne der Wehrgerechtigkeit unhaltbar. Damit sollen Menschen bestraft werden, die sich mit einem Milizeinsatz an unserem Zusammenleben beteiligen wollen, die die Chance packen, in einem kleinen, vorgegebenen Zeitfenster für einmal nicht für das Geld oder die Karriere entscheiden zu müssen, sondern ihre Zeit sinnstiftend und sinnvoll für die Gemeinschaft einzusetzen.
Wenn es nach der Rekrutenschule zu viele Wechsel gibt, ist das ein Problem der Armee, das die Armee lösen muss. Und das tut sie mit dem Prozess Weiterentwicklung der Armee auch. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten, aber man darf aufrecht bezweifeln, dass das Unattraktivmachen des Zivildienstes eine effektive Massnahme ist, um die Armee attraktiver zu machen.
Der Zivildienst ist ein Erfolgsmodell, das einen wertvollen Beitrag zum Zusammenleben leistet. Unsere Aufgabe ist es heute, im Sinne des öffentlichen Interesses zu entscheiden. Ich wage zu bezweifeln, dass dieses darin besteht, junge Menschen davon abzuhalten, ihre Zeit zum Wohle der Gemeinschaft in Schulen, Altersheimen oder für den Naturschutz einzusetzen. Der Zivildienst trägt zur nationalen Sicherheit bei, indem er die Gemeinschaft stärkt. Der Zivildienst darf keine Strafe sein, er ist ein Recht.

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