Die Armee befindet sich in einer Krise. Immer mehr junge Menschen hinterfragen den Sinn des Militärdienstes. Junge Männer bevorzugen den Zivildienst trotz längerer Dienstdauer. Militärische Rituale werden zunehmend in Frage gestellt. Junge Menschen zweifeln daran, dass sie im Militärdienst einen echten Nutzen für die Gesellschaft erlernen können. Sie sehen die tatsächlichen Herausforderungen ziviler Natur, beispielsweise in Gesundheits- oder Umweltkrisen. Wir brauchen einen neuen Diskurs in der Sicherheitspolitik, der den echten Bedrohungen Aufmerksamkeit schenkt.  

Gemessen an der Bevölkerung unterhält die Schweiz das mit Abstand grösste Heer in ganz Europa. So wollte es die politische Mehrheit im Parlament. Das Alimentierungsproblem ist eine willkommene Erzählung, um veraltete Strukturen aufrecht zu erhalten und von der fehlenden Neuausrichtung abzulenken. Nun kommt dieselbe politische Mehrheit mit einer Scheinlösung daher: Der Lösung der Alimentierungsprobleme durch die Verpflichtung von mehr Frauen. Ein notwendiger Schritt zur Gleichberechtigung sei dies, eine Arbeitsmarktchance für viele Frauen. Die Frauenkampagne ist das Steckenpferd von Verteidigungsministerin Viola Amherd.

Niemand spricht dabei davon, dass Frauen bereits heute freiwillig Militärdienst leisten können, und warum der Anteil nie über 1% der Militärdienstleistenden kam. Stolz verweist man auf die Auslandeinsätze wie Swisscoy im dem dort realisierten Frauenanteil von 15% und verschweigt die Tatsache, dass der Anteil von der UNO für die Friedenseinsätze vorgeschrieben wird.

Aber Frauen und Pazifismus sind eng verbunden. Es gibt ein signifikant gendertypisches Abstimmungsverhalten bei militärischen Fragen: Frauen hätten den Kauf der Kampfflugzeuge beispielsweise deutlich abgelehnt. Frauen wollen keine weitere Militarisierung der Gesellschaft. Frauen wollen keine weitere Verbreitung von Waffen, sondern strengere Waffengesetze.

Frauen haben keinen Aufholbedarf beim Dienst an der Gesellschaft: Sie leisten nach wie vor den grössten Teil der bezahlten und unbezahlten Care Arbeit. Ist diese Arbeit etwa weniger wert als der Militärdienst? Wie wäre es damit, endlich die Lohngleichheit zu realisieren, die Renten anzugleichen, etwas gegen die zu häufigen sexuellen Übergriffe zu machen? Dass mehr Frauen in der Armee ein Fortschritt in der Gleichstellungspolitik seien, wirkt vor dem Hintergrund der Missstände bei der Geschlechtergerechtigkeit zynisch.

Es sind dieselben politischen Kräfte, die sich gegen Massnahmen zur Verbesserung der Lohngleichheit wehren, die jetzt bei der Armee von Gleichstellungspolitik sprechen; alle müssten ihren Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Aber die militärische Tätigkeit ist nicht wie jede andere. Der Beruf „Soldat“ ist eng mit dem Töten verbunden und unterscheidet sich deshalb fundamental von anderen Berufen. Nein, frau muss nicht lernen zu töten, um gleichberechtigt zu sein.

 

 

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