Wie gottgegeben treiben die Bürgerlichen die Aufrüstung der Armee voran. Möglichst rasch soll das zusätzliche Geld ausgegeben werden, ohne eine grundsätzliche Strategie, wofür. Die SVP und die FDP arbeiten dabei in einer unheiligen Allianz zusammen. Unheilig deshalb, weil Mehrheiten geschaffen werden für ein Ziel ohne dieselbe Absicht.
Die SVP rechtfertigt die Aufrüstung damit, dass die Schweiz sich in einem Krisenfall autonom verteidigen sollte. Dazu soll auch die einheimische Rüstungsindustrie ausgebaut werden. Wie die SVP für Ihre Wählerschaft die immer gleiche Mär aufrechterhalten kann, dass die Schweiz sich in einem Bedrohungsfall eigenständig militärisch verteidigen könnte, so wie sie es angeblich im II. Weltkrieg getan hat, bleibt mir schleierhaft. Die kleine, wehrhafte Schweiz, die vollständig abhängig ist von fossilen Energieträgern und Lebensmitteln und anderen essentiellen Gütern aus dem Ausland?
Auf der anderen Seite die FDP, betont militärisch-progressiv. Dasselbe Ziel: Eine massive Aufrüstung, materiell und personell, dazu ein Aushebeln von Kriegsmaterial-Export-Einschränkungen und eine weitere Annäherung an die NATO. Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch ein Beitritt zur NATO kein Tabu ist, aber da kaum mehrheitsfähig, spricht man lieber über die „vollständige Interoperabilität“. Der fast gebetsmühlenartig wiederholte „Beitrag an die europäische Sicherheit“ besteht aus einem militärischen Aufrüsten und einem Bereit sein für den Beitritt zur NATO, sobald die Bevölkerung „so weit“ ist.
Die beiden Parteien verfolgen völlig andere Grundsätze und trotzdem dasselbe Ziel. Das Erstaunliche dabei ist, dass die unterschiedlichen Konzeptionen doch zu völlig anderen Schlüssen führen müssten: Geht man von militärischer Kooperation aus, dann müsste die Aufrüstung doch kompetenzorientiert (welche Kompetenzen bringt man einem militärischen Verbund, welche Kompetenzen lässt man andere übernehmen) geschehen. Diese dringend nötige Diskussion aber wird tunlichst vermieden, denn das liesse die Allianz auseinanderbrechen – am Verständnis der Neutralität.
Die Hoheit über die Definition von Neutralität – und das Füllen des Begriffs mit Inhalten und dann auch mit politischen Handlungen, das darf und sollte nicht aus der Defensive passieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir Deutungshoheit nicht denjenigen überlassen sollten, die über die finanziellen Mittel und Interessen verfügen, dazu Initiativen zu lancieren.
Für mich ist die militärische Neutralität ein strategisches Mittel, um den Teufelskreis der Aufrüstung und Abschreckung zu brechen. Sie ist nicht nur ein Privileg guter Zeiten, sondern auch Ausdruck der Wahl von Worten statt Waffen. Die Neutralität ist eine Verpflichtung, gute Beziehungen mit anderen Ländern zu pflegen. Die Neutralität ist keine Rechtfertigung für mutloses Handeln, sondern Ermächtigung, sich auf die Seite des universellen Völkerrechts zu stellen.