Woran denken Sie beim Wort «Strassenverkehr»? An Elektromobilität, Velos, Busse? Vergessen wird, was selbstverständlich dazu gehört: Jede Fahrt mit dem Auto, Velo oder Bus ist mit einem Fussweg verbunden. Das Gehen ist Zu- und Wegbringer und Schnittstelle. Und obwohl diese Mobilitätsform omnipräsent ist, wird sie in öffentlicher Aufmerksamkeit und Planung stiefmütterlich behandelt. Wir planen und bauen oft für Maschinen und vergessen aus lauter Selbstverständlichkeit den Menschen.

Dabei ist Gehen die natürlichste und gesündeste Form der Fortbewegung. Dazu brauchen wir keine Hilfsmittel und keine teuren Infrastrukturen. Ausserdem verschmutzt das Gehen die Umwelt nicht. Das Gehen ist die einzige Mobilitätsform, die mehr bringt als sie kostet. Allein der Gesundheitsnutzen durchs Zufussgehen lag 2018 bei 911 Mio Franken. Aber Gehen ist nicht nur gesund, es bringt auch einen wirtschaftlichen Nutzen: Wo viele Menschen zu Fuss unterwegs sind, beispielsweise in Fussgängerzonen, wird mehr Geld ausgegeben. Vom nicht monetarisierbaren sozialen Gewinn ganz zu schweigen. Kurz: Wir Menschen zu Fuss sind Nützlinge.

So selbstverständlich das Zufussgehen auch ist, ganz so selbstverständlich ergibt es sich nicht. Viele Faktoren tragen dazu bei, ob mehr Menschen zu Fuss gehen oder nicht: Von der Schulwegsicherheit bis hin zu Sitzbänken. Die gute Infrastruktur ist der wichtigste Faktor. So gibt es beispielsweise Zahlen, die belegen, dass Menschen bereit sind, viel längere Fusswege zum Öffentlichen Verkehr auf sich zu nehmen, wenn der Fussweg attraktiv ist. Wobei attraktiv bedeutet, dass die Wege sicher, direkt und ästhetisch ansprechend sind. Und dass die Menschen zu Fuss vor Verkehrslärm und vielen und schnell fahrenden Fahrzeugen geschützt sind. 

Die öffentlichen Räume für uns Fussgängerinnen und Fussgänger stehen unter Druck. Zwar haben wir mit dem Fuss- und Wanderweggesetz eine gute gesetzliche Grundlage – aber an der Umsetzung dieses über 30jährigen Gesetzes haperts: So kennt beispielsweise nur rund die Hälfte aller Gemeinden in der Schweiz einen kommunalen Plan für die Fusswege. Hinzu kommt der wachsende Druck auf die Flächen: Von Abstellplätzen für E-Trottis bis zu Ladestellen für Elektroautos oder Lieferrobotern: Alles soll Platz finden auf den sonst schon knapp dimensionierten Fussgängerwegen.

Das Zufussgehen ist eine Selbstverständlichkeit, und als das sollte es auch anerkannt und priorisiert werden. Mit seinem riesigen Potenzial für die Gemeinschaft und für die Umwelt verlangt es einen anderen Stellenwert in der Planung und Umsetzung von Strassenprojekten. Es ist Zeit, dass wir damit anfangen, bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen des Strassenverkehrs das Potenzial des Zufussgehens zu beachten.

Alles spricht von Klimaschutz, wer aber einschneidende Massnahmen beim Autoverkehr fordert, macht sich unbeliebt. Manchmal ist es aber wichtig, die Dinge zu benennen: Die CO2-Emissionen aller Personenwagen nehmen zu statt ab. Gemäss Gesetz hätten die mittleren Emissionen bis 2015 auf 130 g/km vermindert werden sollen, was nicht gelang. Die Zahl der Personenwagen nimmt zu statt ab. Die durchschnittlich gefahrenen Kilometer nehmen zu statt ab. Die nötige Verkehrswende, aber, kann nicht ausschliesslich darin bestehen, Autos zu elektrifizieren. Wenn wir den Verkehr auf Klimakurs bringen wollen, braucht es schlicht weniger Autos und mehr Platz für Menschen zu Fuss.

(Beitrag publiziert im Jahrbuch Strassenverkehr Schweiz)

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